Ich bin 45 Jahre und generell eigentlich viel zu jung für ein künstliches Knie. Wenn das eigene Gelenk aber nur noch ein Trümmerfeld ist und die Schmerzen ohrenbetäubend sind, sollte man aktiv werden.
Der Arzt, der die MRT – Ergebnisse mit einem bespricht, fragte mich ob ich Profi-Bergsteigerin wäre. Fand ich charmant, da ich eher nicht so aussehe. Ich bin nach wie vor ein üppiges Mädchen – ein altes Mädchen. Verziert mit Falten, grauen Haaren und kurz vor der Menopause. Na gut, ich bin alt und jetzt habe ich auch noch ein Trümmerknie.
Das Knie ist eigentlich schon seit einem schlimmen Sturz mit 15 kaputt. Es wurde bis heute viermal „geflickt“ und nun ist es so weit. Ich lasse sägen, bohren, hämmern und denke immer wieder an ekelhafte Splatter-Horrorfilme seit der Chirurg mir erzählte, was er da machen muss.
Das Wort „SÄGEN“ durfte er im Verlauf des Gespräches übrigens nicht mehr verwenden. Ich habe es ihm verboten. So ein wenig pervers muss man sein, wenn man das täglich macht, oder? Ich bin dankbar dafür, dass es solche Ärzte gibt. Bitte nicht falsch verstehen!!! Vermutlich trennt sich aber irgendwann die Spreu vom Weizen. Einer wird orthopädischer Chirurg. Der Andere landet in der Todeszelle und hat einen Eintrag bei Wikipedia.
Mein Chirurg ist übrigens sowas von knuddelig. Ein Bär – mit Bauch, Humor und irgendwie angenehm grummelig. Ich nenne ihn Dr. Grumpy. Er ist mürrisch, dabei aber humorvoll und zudem sehr gut in seinem Job (laut Recherche). Einer der guten Soziopathen also.
Dr. Grumpy hat mir nun also das neue Knie verpasst. Ich liege hier im Krankenhaus, genieße irgendein Morphin und kacke nicht mehr. Wusstet ihr, dass man von dem Zeug Verstopfungen bekommt? Herrlich oder?
Am Tag nach der OP reichen die Schwestern einem schon Abführmittel. Ja ja…die wissen, was kommt – oder eher nicht mehr kommt. Wenn das dezente Zeugs nicht hilft, gibts die Abführkeule – dann kannste 48 Stunden durchgehend auf dem Klo sitzen. Zwischendurch wird man mit Bewegungsschienen oder der Physiotherapie „gequält“.
Qual? Bei mir schon. Ich mache ja keine halben Sachen. Ich kann das Bein trotz extrem guter Vorbereitung in Form von Muskelaufbau und jeder Menge VORAB-Training mit Physiogöttern einfach nicht so gut strecken wie die 120jährige Bettnachbarin, die den halben Tag pennt und dabei aussieht wie ein Mensch, den meine Schwester abholen könnte. Meine Schwester ist Bestatterin.
Nein ich bin nicht neidisch und eifersüchtig. Gar nicht! Na gut. Ich bin es doch. Sie schläft, macht keine eigenständigen Übungen, hat kaum Schmerzen und wenn sie noch einmal erzählt, wie einfach das alles ist, drücke ich ihr mein Kopfkissen zu lange aufs Gesicht.
Ich arbeite an mir – Wuuuuusaaaaa. Ich soll nicht vergleichen – sagt der Arzt. Jedes Knie sei anders. Es sei vermerkt, dass die Dame nur drei Aufkleber in ihrem Prothesenheftchen für etwaige spätere Flüge hat. ICH HABE FÜNF AUFKLEBER! Was immer das auch bedeuten mag.
Keine Ahnung, was der da noch eingebaut hat. Vermutlich eine Wallbox für mein E-Auto. Vielleicht ja auch eine Handyladestation. Sowas ganz Hippes bestimmt. Genau!
Egal! Ich fahre dann jetzt mal zur Reha unter Corona-Bedingungen und versuche nicht durchzudrehen.
In diesem Sinne – das Knie heißt übrigens Hans-Dieter!